Georg Pölzl: Markenware für das Land
30.04.2011 | 18:19 | von daniel kalt (Die Presse)
In den nächsten Monaten beschäftigen sich Kreative mit der Briefmarke als Trägermedium nationaler Identität. Post-Generaldirektor Georg Pölzl erzählt, warum er das stimmig findet.
In den letzten Jahren haben sich die Kommunikationsgepflogenheiten verändert. Spiegelt sich das in der Auflagenhöhe der in Umlauf befindlichen Dauerbriefmarken?
Georg Pölzl: Die Auflagen sind in den letzten zehn Jahren sicherlich zurückgegangen. Das liegt auch daran, dass das Briefvolumen in Österreich pro Jahr um drei bis fünf Prozent schrumpft. Dauerbriefmarken werden während ihrer Laufzeit ständig nachgedruckt und auf den tatsächlichen Bedarf abgestimmt, und der hat sich verändert.
Während die Briefmarke als Objekt des täglichen Gebrauchs an Bedeutung einbüßt, wird sie womöglich als Sammlerobjekt umso attraktiver?
Das kann man so nicht sagen, weil Briefmarken immer schon sehr begehrt gewesen sind. Einen dezidierten Gegentrend gibt es da nicht, sondern die Sondermarke hat einfach ihren Platz in unserer Produktpalette, einen guten und wichtigen Platz und ein eigenes Publikum. Es gibt circa 50.000 registrierte Sammler, die unsere Abonnenten sind, und noch einmal so viele, die die Sondermarke sporadisch kaufen. Gerade in Österreich gibt es viele philatelistische Vereine und Sammler, die wir mit unseren Sondermarken und Aktivitäten rund um die Ausgabe ansprechen wollen. Das ist für uns eine wichtige und treue Kundengruppe.
Ab Anfang Mai gibt es neue Dauerbriefmarken, gestaltet von Rainer Prohaska, die zeitgenössische Museumsarchitektur zeigen. Was hat diese Motivauswahl motiviert?
Einerseits wollten wir in jedem Fall eine Motivfamilie wählen, die sich durchzieht, also den zwölf neuen Marken ein gemeinsames Thema geben. Was von Anfang an feststand, weil es auch meinem persönlichen Ansatz entspricht, ist, dass wir etwas mit zeitgenössischer Kunst machen wollen.
Weil man damit ein anderes Statement abgibt als mit einem Alpenblumen-Panorama?
Absolut, außerdem wollten wir einen konkreten Österreichbezug setzen. Und etwas Zeitgenössisches wählen, idealerweise mit Kunstbezug. Diese Voraussetzungen sind alle erfüllt.
Dass man den Kunden die Tariferhöhung, Standardbriefe werden zum Beispiel um sieben Cent teurer, mit besonders schönen Marken versüßt, darum geht es aber nicht?
Natürlich nicht. Es handelt sich auch um eine Tarifanpassung, keine Tariferhöhung. In manchen Segmenten werden wir ja billiger, das wurde mit viel Behutsamkeit gemacht. Wir haben uns ausgerechnet, der durchschnittliche österreichische Haushalt wird jährlich mit 1,8 bis zwei Euro zusätzlich belastet. Da würde ich einmal meinen, die Stromrechnung ist für die meisten ein größeres Thema.
Der Außenstehende stellt sich den Auswahlprozess neuer Briefmarken eher langwierig vor, von der Motivauswahl und der Beauftragung eines Künstlers über das Einbeziehen diverser Gremien... Funktioniert das so?
Das ist ganz unterschiedlich, oftmals ziehen sich die Vorbereitungen über Monate. Im Falle der neuen Dauermarken ist das ziemlich rasch gegangen. Wir hatten einige Vorschläge, dann haben wir recht schnell entschieden, nach Diskussionen auch mit einigen Vertretern des Philatelie-Beirates.
Glauben Sie, dass zu Zeiten, wo Eurobanknoten keine nationale Identität mehr transportieren, die Eigenschaft der Briefmarke als Imageträger stärker hervortritt?
Das scheint mir eine gewagte Hypothese zu sein, das glaube ich eigentlich nicht. Aber es ist sicherlich so, dass die Briefmarke als eine Art Ikone eine lange Tradition hat und in dieser Tradition auch einen starken Bezug zum Land aufweist. In Großbritannien gibt es die Monarchin, da ist es einfach, in Österreich zierte zu Zeiten der Monarchie ebenfalls der Kaiser die Marken, und natürlich hat die Briefmarke immer bis zu einem gewissen Grad den Nationalstolz verkörpert. Den Zusammenhang mit der Banknote würde ich nicht überstrapazieren, aber die Briefmarke ist in jedem Fall ein Objekt mit einer starken nationalen Verankerung.
Ab dieser Ausgabe setzen sich Kreative in der „Presse am Sonntag“ in einer Kooperation mit der Post auf der „Freiraum“-Seite mit der „Marke Österreich“ auseinander. Was macht das Projekt so interessant?
Gerade diese Doppeldeutigkeit der „Marke Österreich“, also die Verknüpfung der Briefmarke als kleinste Ikone nationaler Identität und einer künstlerischen Auseinandersetzung mit einem zeitgemäßen Österreich-Bild, macht diese Serie besonders spannend. Kreative Vorschläge und Visionen für Briefmarken – das entspricht genau unserer Interessenslage, die sich auch in den neuen Dauerbriefmarken spiegelt.
„Marke Österreich“, da geht es um Nation Branding, zugleich aber doch auch um das Unternehmensbild der Post?
Natürlich, denn die Briefmarke ist Teil der Post, des Postgeschäfts, und ich persönlich bin der Meinung, dass dieser Aspekt in Zukunft wieder verstärkt gefördert werden sollte. In den letzten eineinhalb Jahren bin ich selbst zum regelrechten Markenfan geworden.
Auch weil Ihre Kunden einen anderen Eindruck vom Unternehmen bekommen, wenn sie Briefmarken mit dem Lentos-Museum auf ihre Briefe kleben?
Genau. Ich bin überzeugt, dass für uns die Briefmarke ein imagebildender Faktor ist. So wie andere Unternehmen als Sponsoren auftreten und verschiedene Veranstaltungen fördern, ist die Briefmarke für uns eine ganz besondere Möglichkeit, die wir für unser Image nützen können. Im Rahmen von „Meine Marke“ bieten wir an, dass sich Privatpersonen und auch Firmen ihre eigenen Briefmarken gestalten können. Und wenn schon andere Unternehmen dieses Angebot nutzen, um sich zu präsentieren, warum soll das dann für die Post nicht zutreffen.
Bei „Marke Österreich“ sollen Kreative die Briefmarke zur Reflexion über nationale Identität nützen. Haben Sie konkrete Erwartungen, was passieren könnte – oder sollte?
Ich erwarte mir ein Feuerwerk an Kreativität, um es auf den Punkt zu bringen.
Auch mit politisch angehauchtem Charakter? Oder anders gefragt, ist die Briefmarke aufgrund ihres offiziellen Charakters an sich ein Politikum?
Das kreative Arbeiten ist für die Teilnehmer, würde ich meinen, wahrscheinlich attraktiver, als da eine politische Geste zu setzen. Ich freue mich jedenfalls, dass die Briefmarke kreative Menschen und Künstler interessiert, und bin sehr gespannt, was ihnen dazu einfällt. Damit ist nicht gesagt, dass alle Motive schön sein werden, weil ich mir durchaus vorstellen kann, dass manche diese Möglichkeit nützen werden, um zu provozieren. Und das finde ich ganz besonders spannend.
Eignet sich die Briefmarke als Stein des Anstoßes?
Das könnte ich mir schon vorstellen. Ich persönlich würde mich freuen, wenn sich ein gewisses Spannungsfeld auftun würde und es auch Vorschläge gäbe, die über das Schöne hinausgehen. „Schön“ ist ja keine künstlerisch relevante Kategorie. „Spannend, aufregend, provokant“, das sind für mich viel erstrebenswertere Qualitäten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2011)
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