Die Deutsche Post ermöglicht seit einiger Zeit im Testbetrieb, Briefe und Postkarten per SMS zu frankieren. wir haben das Verfahren ausprobiert.
Da steht man nun nach durchzechter Nacht und anschließendem Absacker bei einer netten Dame “auf einen Kaffee” mit schlechtem Gewissen und ohne Briefmarke an einem Briefkasten auf der Insel Rügen, um der Geliebten zu schreiben “es ist aus - ich bin Dir heute nacht untreu geworden!” - denn das per E-Mail oder SMS zu tun, gehört sich nicht.
Ok, das gehört sich auch per Papierbrief nicht - und schon gar nicht per Ansichtspostkarte aus Rügen, von der doofen Vorgeschichte ganz zu schweigen, aber ich versuche mir nur gerade krampfhaft ein halbwegs realistisches Beispiel auszudenken, wo man Briefmarken per SMS benötigen könnte.
Normal gibt es schließlich auch Briefkartenautomaten an Postämtern - und wer wirklich ausgerechnet nur noch mit Handy und jungfräulichen Briefumschlag ohne Marke bekleidet ausgestattet vor dem Briefkasten steht, hat bestimmt auch keinen Kugelschreiber dabei. Und ohne den geht es schon mal nicht:
Das “Handyporto” der Deutschen Post funktioniert nämlich so, daß man per SMS an 22122 oder über ein Sprachmenü nach Anruf bei der 22122 kundtut, ob man eine Postkarte zu 85 Cent oder einen Standardbrief zu 95 Cent verschicken möchte.
Einige Sekunden später kommt dann ein zwölfstelliger Zifferncode als SMS auf das Handy zurück, den man in drei Reihen zu vier Ziffern dahin zu schreiben hat, wo eigentlich die Briefmarke hingehört hätte.
Moment? “Standardbrief zu 95 Cent”? Wucher? Ja, Wucher: Das Handyporto kostet fast doppelt soviel wie die normale Briefmarke, obwohl man auch noch die Zahlen aufs Kuvert schreiben muß. Hinzu kommen Kosten für SMS bzw. Anruf.
Andere Briefsorten können nicht per Handy frankiert werden. Zu blöde, wo ich eigentlich nur noch dickere Briefe verschicke - für alles andere gibt es ja E-Mail oder Fax. Ein Fax wurde daher für diesen Test ausnahmsweise mal als Brief verschickt.
Kein Stift - keine “SMS-Briefmarke”. Und ein Handy braucht man natürlich auch. Sowie eine SIM-Karte von T-Mobile (D1), Vodafone (D2) oder E Plus.
Und da gibt es das erste Problem: Mit einer SIM-Karte eines Providers geht es nicht. Wer bei Talkline, Mobilcom, Solomo, Klarmobil & Co. Kunde ist, dem hilft auch das richtige Netz im Handy nicht weiter. Er bekommt beim Anruf der 22122 verkündet, daß der Service für ihn nicht verfügbar ist.
Also gruben wir die alte D2 Callya-Prepaid-Card aus. Einst teuer für 20 Euro erstanden, mit 5 Euro Guthaben. Schon lange nicht mehr für abgehende Gespräche genutzt, vor einem Jahr auch kurzerhand ausgerechnet vor einem Test deshalb abgeschaltet bekommen und nach Protest wieder eingeschaltet bekommen, da das Abschalten ja seit einiger Zeit verboten ist.
1 Euro und ein Cent waren noch darauf. Gut, das reicht ja für den Brief mit seinen 95 Cent. Also angerufen, das Menü bedient. Und schon sind auch nur noch 62 Cent auf dem Konto. Doch eine Briefmarke kommt nicht, sondern die Meldung, daß Vodafone die Abrechnug abgelehnt habe - ich solle die Hotline anrufen.
Hmpf. Liegt es vielleicht daran, daß die D2-Karte in einem D1-Handy steckt, das ständig animierte rosa Bauklötze anzeigt? Oder geht Handyporto mit CallYa nicht? Und wieso wurde trotzdem abgebucht? Was ist los? Was sagt die Vodafone-Hotline?
Nun, die bittet um die Handynummr - bekommt diese sinnigerweise gar nicht angezeigt. Hm, die weiß ich längst nicht mehr…wie ruft man nur in einem laufenden Gespräch die eigene Telefonnummer ab? Vorsichtig, ganz vorsichtig…gefunden “Nulleinsfünfzwo”…und eine Ansage “Leider konnte Ihnen kein Kundenbetreuer vermittelt werden, bitte rufen Sie später wieder an!” unterbricht rüde das Gespräch.
Später wieder anrufen geht allerdings nicht - denn plötzlich ist die CallYa-Card auf 0 Cent. Die Hotline war nicht kostenlos. Und während bei einem normalen Telefonat vor der Trennung eine Warnung kommt (und so auch mal negative Guthaben auf der Prepaid-Karte landen können), wird ein Hotline-Gespräch automatisch abgebrochen, wenn das Guthaben auf 0 sinkt.
Ein weiterer Hotline-Anruf nach Auffüllen der CallYa-Card mit 15 Euro (weniger geht nicht) ist wesentlich weniger ergiebig. Aber es reift nun der Verdacht, daß auch der Anruf bei der 22122 nicht kostenlos war und so das für die Briefmarke gedachte Geld vorzeitig verfressen hatte. Mit einer SMS wäre das ohnehin passiert, weshalb ich mir die auch verkniffen hatte.
Im zweiten Anlauf klappte es dann auch. 1,34 Euro hat am Ende die 55-Cent-Briefmarke gekostet. Mit allen Hotline-Gesprächen, dem ersten Anruf und der vertanen Zeit dazugerechnet ein Vielfaches - dafür hätte ich den Brief selbst nach München fahren können…
Fazit: Handyporto ist entschieden der komplizierteste und teuerste Weg, einen Brief zu frankieren. Und eine Situation, in der ich das System benötigen könnte, ist mir immer noch nicht eingefallen. Bevor ich es nochmal versuche, fahre ich vielleicht wirklich mal nach Rügen - ohne Handy.
Daß das Handy-Porto so teuer ist, liegt übrigens daran, daß die Post die solchermaßen bemalten Briefe aus der Sortieranlage aussortiert bekommt und dann manuell eine Freimarke aufklebt.
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