Bild vergrössern klick hierDie Post, die der Straße am Falkenseer Bahnhof ihren Namen gab, soll noch in diesem Jahr zweckentfremdet werden: Die Stadt Falkensee wird in diesem gelben Doppelbau gewissermaßen das kleine Rathaus etablieren. Ein Bürgerservicebüro mit jenen Abteilungen, die vom Publikumsverkehr leben, soll dort einziehen. Die Post selbst gibt das Haus auf. Sie will was Neues bauen. Wieder einmal.
Denn wieder einmal ist es ihr zu eng geworden in ihrem Korsett in diesem permanent wachsenden Berliner Vorort. Im Gewerbegebiet Süd soll deshalb etwas Modernes entstehen. Die Zusteller könnten dann Briefe und Pakete aus einer Hand übernehmen, auf dem Hof werden sich die Fahrzeuge nicht behindern. Auch fürs Personal soll’s komfortabler werden. Sagt das Management.
Es mag zweckmäßig und auch wirtschaftlich sein. Dass die gute alte Post nun aber gänzlich aus dem Stadtkern verschwindet, schmerzt Menschen wie Dietrich Schulz, einen passionierten Philatelisten und Hobby-Heimatkundler. Der Falkenseer hat alles gesammelt über die Postgeschichte in Falkensee, betrieb er doch dort selbst viele Jahre ein Briefmarkengeschäft.
Das älteste Zeugnis, das sich in seiner Sammlung befindet und über den Postverkehr in Seegefeld und Falkenhagen Auskunft gibt, ist vom 27. September 1853 datiert. In dieser Bekanntmachung des Königlichen Postamtes Spandow heißt es: „Seit dem August a.c. findet eine tägliche Landbriefbestellung, mit Ausschluß des Sonntag, nach sämmtlichen zum hiesigen Bestellbezirke gehörigen Ortschaften statt, von das correspondirende Publicum wiederholt in Kenntniß gesetzt wird.“ Zu diesem Bestellbezirk des Königlichen Postamtes Spandau gehörten die Dörfer Seegefeld und Falkenhagen, die von drei Landbriefträgern versorgt wurden.
Erste Postexpedition im Bahnhof Seegefeld
Im September 1865 wurde dann die Post-Expedition in Seegefeld stationiert, und zwar im Bahnhofsgebäude, das 1849, drei Jahre nach der Eröffnung der Bahnlinie Berlin – Hamburg, errichtet worden war. Aber auch die Bahn brauchte von Jahr zu Jahr mehr Platz und exmittierte folglich die Post-Expedition, so dass sich deren Obrigkeit genötigt sah, nach einer Alternative Ausschau zu halten.
Seegefelder Post im Falkenhagener Exil
Man wurde mit dem Gastwirt Franke in Falkenhagen handelseinig. Der hatte ein Grundstück „hart an der Grenze zu Seegefeld“ zu bieten und war bereit, darauf ein Postgebäude zu errichten, wofür ihm 900 Mark Jahresmiete zugesichert wurden. Außerdem sollte er eine Wohnung für den Expedienten bereitstellen. Gesagt, getan: 1885 wurde die Post an der heutigen Bahnhofstraße baufertig. Im Dachgiebel (heute: Bestattungen Nossack) kann man noch heute ein gemauertes Briefkuvert erkennen, im Hof stehen noch die Stallungen der Postpferde.
Obwohl nun die Seegefelder Post nach Falkenhagen ausgewandert war, behielt sie die Bezeichnung „Seegefeld“ bei. Der Grund war plausibel: Seegefeld gab es im ganzen Lande nur ein einziges Mal, „während den Namen Falkenhagen nach dem Neumannschen Lexikon im Deutschen Reiche acht Ortschaften führen“, wie das „Osthavelländische Kreisblatt“ 1885 zitierte.
Seit dem 1. Mai jenes Jahres verkehrte auch eine Postkutsche als Zubringer von der neu eingerichteten Postagentur Wansdorf zur Hamburger Bahn in Seegefeld – „Landpostfahrt“ genannt. Dass es auch damals nach nächtlichem Schwoof nicht ganz friedfertig zugegangen sein mag, belegt übrigens eine Anzeige aus dem „Osthavelländischen Kreisblatt vom 27. Juni 1885: „Die von uns gegen den Landbriefträger W. Rührmund ausgesprochenen Beleidigungen erklären wir für unwahr und nehmen dieselben hiermit zurück. Die jungen Leute in Seegefeld.“
Kaiserliches Postamt entsteht am Bahnhof
Um die Wende zum 20. Jahrhundert, als die Großstadt Berlin im Industriequalm zu ersticken drohte, zog es Siedler in großer Zahl hinaus in die luftigen Vororte. Angesichts der stürmischen Siedlungsfreude wurde auch das Postgebäude in Falkenhagen für die gewachsenen Aufgaben bald zu eng.
So suchte die Postdirektion knapp 20 Jahre nach dem Neubau auf dem Frankeschen Besitz eine Alternative und wurde ganz in der Nähe des Bahnhofs Seegefeld fündig. Diesmal stellte der Bauer August Röder Land bereit, wo 1903 ein neues Kaiserliches Postamt projektiert und 1905 eingeweiht wurde. Es stand unmittelbar an der Dorfstraße (heute Bahnhofstraße) nördlich des Bahnhofs und beherbergte bereits die gelbe und die graue Post, wie die Telegrafenstation fortan hieß. Heute sieht man dem Haus seine kaiserliche Vergangenheit nicht mehr an, das als Teil der Dresdner Bank in den neunziger Jahren hinter einer modernen Fassade verschwunden ist und im vergangenen Jahrhundert viele Geschäfte beherbergte, so unter anderem einen Herrenausstatter und eine Fleischerei.
Die neue Post von 1932 – eine Art ABM
Doch das repräsentative „Kaiserliche Postamt“ war wieder nicht für die Ewigkeit gemacht. Angesichts der Besiedlungswelle zwischen den Kriegen gerieten die Postangestellten mit ihren Obliegenheiten erneut in Platznot. Folglich entstand 1932 in der Poststraße, die damals noch Germanenstraße hieß, das heutige Postamt im Stil der neuen Sachlichkeit, das 1960 auf der Ostseite einen Anbau erhielt.
„Der Bau 1932 war nicht zuletzt eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“, weiß Postchronist Dietrich Schulz. Deutschland zählte damals sechs Millionen Arbeitslose. „Da wurden auch nur Handwerker aus der Umgebung beschäftigt“, sagt Schulz und zieht ein vergilbtes Briefkuvert aus seiner Sammlung. Der Feldpostbrief, adressiert an den Feldwebel Hans Claus Schneider, ist ungeöffnet zurück an den Absender in Falkensee gegangen. Mit Rotstift hatte jemand aufs Kuvert gekritzelt: „Zurück. Gefallen für Groß-Deutschland. 28.2.1945“. So endete bekanntlich das gigantische „Arbeitsbeschaffungsprogramm“der Nationalsozialisten.
Kleinstadt mit eigenem Postwertzeichen
Als der verheerende Krieg 1945 zu Ende ging, füllte sich Falkensee mit Flüchtlingen und Umsiedlern. Die Post diente als öffentliche Wärmestube. Es fehlte an allem. Auch an Briefmarken, was einen geschäftstüchtigen einheimischen Briefmarkenhändler auf die Idee brachte, zur Selbsthilfe zu greifen. Dieser Friedrich Muth unterbreitete dem Bürgermeister den Vorschlag, eigene Briefmarken für Falkensee zu drucken. Die Hälfte aus dem Verkaufserlös sollte der Gemeinde, die andere Hälfte dem Briefmarkenhändler zugute kommen. Muth gelang es, den sowjetischen Stadtkommandanten für diese Idee zu gewinnen. Und so ist folgendes Schreiben überliefert, das am 15. November 1945 an den Postamtsleiter Österreich gerichtet war:
„Mit Genehmigung des Stadtkommandanten Herrn Oberstleutnant Bimbajew kann die Gemeinde Falkensee eine eigene Briefmarke herausgeben. Die Briefmarke wird so lange in dem Verkehr bleiben, bis eine allgemeine Belieferung von den oberen Dienststellen erfolgt. Die Briefmarke wird Ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt. Gezeichnet Bürgermeister Haserich.“
Die Druckerei Keutel hatte damals 19 600 Sätze gedruckt. Doch die Oberpostdirektion in Potsdam erklärte noch im November 1945 die Falkensee-Marken für ungültig. Bis dahin aber waren bereits 10 000 Reichsmark durch den Verkauf der unwerten Postwertzeichen in die Gemeindekassen geflossen. Die Unveräußerlichen aber gingen als Makulatur und Kuriosität in die Stadtgeschichte ein. (Von Hiltrud Müller)
Quelle