Königstraße 3, erster Stock, Musiksalon. Selbst das Parkett ist original und knarrt wie 1845, als Felix Mendelssohn Bartholdy hier einzog. Ein Ort, wie aus der Zeit gefallen. Bestens geeignet, die neueste Mendelssohn-Briefmarke zu präsentieren. Im Großformat.
Und wenn dann auch noch die Februar-Sonne sich Mühe gibt, dann wird es – wie am gestrigen 12. Februar – ein beschaulicher Präsentationstag für einen Mann, dem der Ruhm schon vorauseilte, da hängen die meisten Jungen noch mit "Null Bock" und Übergewicht vor der Fernsehkiste. Noch nicht einmal 13 Jahre alt war Felix Mendelssohn Bartholdy, als Heinrich Heine mit Datum vom 26. Januar 1822 in seinem ersten Berliner Brief schrieb: „Ich will nur erwähnen, dass das Konzert der Seidler drückend voll war, und dass wir jetzt auf Drouets Konzert gespannt sind, weil der junge Mendelssohn darin zum ersten Male öffentlich spielen wird."
Im 3. Brief aus Berlin liest sich das bei Heine schon so: „Außer dem jungen Felix Mendelssohn, der nach dem Urteile sämtlicher Musiker ein musikalisches Wunder ist und ein zweiter Mozart werden kann, wüsste ich unter den hier lebenden Autochthonen Berlins kein einziges Musikgenie aufzufinden.
So viel zu dem Genie, das – wie Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung glaubt herausgefunden zu haben – dem Geniekult seiner Zeit ausgewichen zu sein. Er hielt die Festrede gestern im Musiksalon zur Einführung der neuen Mendelssohn-Briefmarke. Da kann das passieren. Ein Oberbürgermeister kann und muss nicht alles wissen. Und darf den umtriebigen Felix Mendelssohn auch so zitieren, Denn das Pech des 1847 früh Verstorbenen war: er konnte dem Kult zeit seines Lebens nicht ausweichen. Auch wenn er sich bemüht hat. Doch während andere an dem Anspruch zerbrachen – wie Robert Schumann – oder närrisch wurden – wie Richard Wagner, geschah dem Sohn von Abraham und Lea Mendelssohn, was auch heute vielen Talentierten geschieht: Sie werden zu Getriebenen ihrer eigenen Ansprüche.
Manche enden dann unverhofft im Burn-out-Syndrom. Oder brennen tatsächlich aus – wie Felix Mendelssohn Bartholdy 1847, als ihn der Schlaganfall aus einem jagenden Leben reist. Den Nimmermüden, Immerbeschäftigten, Viel-Talentierten.
„Er war der Architekt der Musikstadt Leipzig", sagt Burkhard Jung derzeit gern. Damit hat er Recht. Ohne diesen von Plänen Gejagten gäbe es die moderene Musikstadt Leipzig nicht. Und auch nicht den möglicherweise erreichbaren Titel "Capitale de la musique". Das war nämlich im Frühjahr 1822 Berlin. Und erst die Abwerbung des Genies in die aufstrebende Bürgerstadt – durch kluge und zahlungswillige Bürgern – änderte das. Berlin hat's nicht geschadet. Das ist heute das Babylon der Republik.
Leipzig hat es unter Musikfreunden einen freundlichen Ruf beschert. Und jetzt – im 200. Geburtstagsjahr des einstigen Gewandhauskapellmeisters – ein weiteres Stückchen Aufmerksamkeit: die Sonderbriefmarke zum "200. Geburtstag Felix Mendelssohn Bartholdys", herausgegeben vom Bundesministerium für Finanzen, gestaltet von Dieter Ziegenfeuter, Professor für Visuelle Kommunikation in Dortmund. Selbst eine Koryphäe und schon mit Dutzenden Motiven auf deutschen Sondermarken erfolgreich.
Als Motiv genutzt hat er das 1835 von Theodor Hildebrandt gemalte Porträt, wie es derzeit auch in der Sonderausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums zu sehen ist. Immerhin zeigt es den jungen Komponisten, Pianisten, Dirigenten, wie er aussah, als er nach Leipzig kam. Leipzig steht nicht drauf der Marke. Aber wer im Mendelssohn-Jahr nicht nach Leipzig kommt, verpasst was.
Es sei denn, er ist lediglich ein Liebhaber dieser kleinen, bunten Bildchen, die die Welt erschließen. Merke: Auch Leipzigs aktueller Oberbürgermeister war in seiner Jugend fleißiger Briefmarkensammler. – Und er wusste, dass es schon 1984, zum 175. Geburtstag, eine berühmte und erfolgreiche Mendelssohn-Briefmarke gab, herausgegeben von der Post der DDR. 1985 als beste Musikerbriefmarke weltweit ausgezeichnet.
1997 gab's eine Sonderbriefmarke der Deutschen Post zum 150. Todestag. „Aber auch die hier ist preisverdächtig", schwärmte gestern Rainer M. Türmer, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Finanzen. Er war – sehr zu seiner Freude – in Vertretung von Nicolette Kressl, der zuständigen Staatssekretärin, nach Leipzig gekommen. Die eigentlich in Vertretung des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück kommen wollte. Aber derzeit beschäftigt die Finanzkrise Berlin. Zur Freude der Ministerialdirektoren.
Die neue Marke ist die einzige, die die Post in diesem Jahr im Wert von 65 Cent drucken lässt. „Da weiß dann fast keiner, was er mit dieser Marke anfangen soll", meint Türmer in seiner launigen Rede. Und erklärte den geladenen Gäste, dass man mit 65 Cent Postkarten ins europäische Ausland frankiert. Womit man wieder beim Europäer Felix Mendelssohn Bartholdy wäre. Gedruckt wird das schöne Stück in einer Auflage von 6,2 Millionen. „Ich denke schon, dass die Post weiß, was sie tut", meinte Türmer. „Und dass sie die Marke in 12 oder 13 Monaten absetzen kann."
Im Mendelssohn-Jahr, das für die Post offiziell am 12. Februar begann. Seitdem ist die Marke im Handel.
Und die Königstraße 3 – falls sie jemand sucht – ist heute das Haus Goldschmidtstraße 12. Nicht zu verfehlen. Es beherbergt das Mendelssohn-Museum.
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