Sammlerverein seit 1885 in Wiesbaden / alte Briefmarken heiß begehrtNach Frankfurt ist in Wiesbaden der zweitgrößte Briefmarken-Sammlerverein Hessens ansässig. Seit mehr als 120 Jahren werden hier die kleinen Prachtstücke gesammelt, getauscht und bewundert. Auf den regelmäßig stattfindenden Treffen stehen daher die Kataloge, das Internet und das gemütliche Beisammensein im Vordergrund.
Im Alter von bereits fünf Jahren packte den heute 53-jährigen Geschäftsführer der Wiesbadener Briefmarkensammler, Jürgen Bärsch, das Sammelfieber. Sein ein Jahr älterer Vereinskamerad Felix Bader begann mit sieben Jahren das leidenschaftliche Sammeln.
Das Briefmarkensammeln hat in unserem Verein eine lange Tradition", sagt Jürgen Bärsch. Seit 1885 besteht der Verein, zurzeit ist er der zweitgrößte seiner Art in Hessen. "Aktuell zählen wir 158 Mitglieder, in den letzten Jahren haben wir sogar einen regen Zuwachs an weiblichen Sammlern verzeichnet", ist Bärsch begeistert. Ohnehin sei die Philatelie, also Briefmarkenkunde, ein Hobby für jedermann. Unter den Vereinsmitgliedern seien von Anfang 20 bis Mitte 90 alle Altersstufen vertreten.
"Wir sind ein sehr aktiver Verein mit vielen neuen Mitgliedern auch aus Mainz und Bingen", erklärt Felix Bader. Zu den zweimal im Monat stattfindenden Tauschabenden kämen regelmäßig rund 50 Personen - dabei stünden jedoch nicht nur Tausch- und Handelsgeschäfte, sondern auch Referate und Lichtbildervorträge zu den Themen Reparatur und Pflege im Mittelpunkt.
"Der Verein hat darüber hinaus einen hohen Stellenwert bezüglich der fachlichen Aufklärung", berichtet der Verbandsprüfer des Saargebiets. "Wie sammle ich richtig, woran erkenne ich eine Fälschung?", lautet sein Fachgebiet, wenn es um Nachzähnungen, Nachgummierungen und andere Arten der Täuschung geht.
"Der Reiz des Sammelns liegt nunmal in den alten Stücken", erklärt der Fachmann. Die erste deutsche Briefmarke wurde im Jahre 1865 ausgegeben und sei ein echtes Sammlerstück - ganz im Gegenteil zu den Sondermarken von heute, die teilweise in sieben- bis zehnfacher Millionenauflage erschienen. "Die Ausgabepolitik bei den Neuheiten hängt von den jeweiligen Ländern ab", sagt Bärsch, "jedes Land hat da seinen eigenen Stil".
Auch die wohl bekannteste Briefmarke der Welt, die Blaue Mauritius, habe ein Vereinsmitglied einmal besessen. "Davon gibt es auf der Welt nur zwölf Stück", weiß Felix Bader. Doch auch weitaus seltenere Postwertzeichen seien bekannt. "Manche Marken gibt es nur einmal, diese können auf Auktionen einen Preis von über einer Millionen Euro erzielen", so Bader.
Das Augenmerk der Wiesbadener Philatelisten liegt jedoch eher auf der Vielfältigkeit des Sammelns, weniger auf dem Wert. "Bei Briefmarken gibt es bekanntlich verschiedene Verwendungsformen", weiß Geschäftsführer Bärsch zu berichten. "Uns interessieren insbesondere die verschiedenen Stempel auf Telegrammen, Paketen und Briefen - unter Umständen können gestempelte Briefmarken wertvoller sein als ungestempelte". Daher ist ihm der Hinweis wichtig, alte Briefmarken nicht aus Umschlägen herauszuschneiden oder zu lösen, da sie sonst an Wert verlören. "Eine Briefmarke für sich alleine flüstert nur, der gesamte Brief erzählt jedoch eine Geschichte", lautet daher sein Wahlspruch.
Beide Briefmarkenfreunde sind neben ihrer Vereinstätigkeit auch munter im Internet unterwegs, um sich in Foren auszutauschen, mit Hilfe von Scannern die Echtheit von Marken festzustellen und natürlich, um die geliebten Stücke zu erwerben. Auf einer bekannten Internet-Tauschbörse gebe es zurzeit 160000 Angebote von Sammlern aus der ganzen Welt, berichtet Vereinsmitglied Bader.
"Früher haben wir Kataloge gewälzt, sind für Ausstellungen und Tauschtage rund um die Welt gereist", erzählt der leidenschaftliche Sammler. Durch das Internet sei manches anders geworden. Doch nicht alles gehöre dadurch das der Vergangenheit an. So begebe sich der Verein im Herbst gemeinschaftlich zur Wiener Postwertzeichenausstellung Wipa - bei dem mehrtägigen Besuch in der österreichischen Landeshauptstadt käme neben zahlreichen Attraktionen auch die stets gepflegte Geselligkeit nicht zu kurz.
"Briefmarkensammeln ist kein langweiliges Hobby, das kann kulturell viel Spaß machen", sagt Verbandsprüfer Bärsch. Er selbst sammle schwerpunktmäßig Briefmarken aus dem Saargebiet, sein Kollege Bader hat sich hingegen der Marken aus der Türkei und dem alten osmanischen Reich verschrieben. "Da gibt es sehr viele Fälschungen, das ist alles sehr intensiv", begeistert er sich. Auch Ansichtskarten mit Stadtabbildungen seien mittlerweile ein beliebtes Sammlerobjekt. Wenn Fragen zu den Sammelobjekten aufkämen, stünde jederzeit die umfangreiche Bibliothek des Vereins kostenlos zur Verfügung, ergänzt Jürgen Bärsch.
"Durch das Briefmarkensammeln lernt man viele interessante Menschen kennen, der Verein bewegt sich ebenfalls auf einem sehr angenehmen Niveau", schätzt der Geschäftsführer sein Hobby im Kreise seiner Vereinsfreunde. "Hier lassen sich viele Kontakte knüpfen, die ganze Welt öffnet sich durch die Briefmarken".
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