Postfrisch ins Haus
Auch dieses Jahr habe ich mich wieder an der Wahl beteiligt. Ich kann einfach nicht widerstehen, wenn sich die „Schönsten des letzten Jahres“ vor mir präsentieren.
Na ja, es gab natürlich auch etwas zu gewinnen, doch nicht nur das hat mich animiert, meine Stimme abzugeben für die schönste Briefmarke des Jahres 2007. Sie gefallen mir wirklich, diese kleinen gezackten Kunstwerke.
Ich ging noch zur Schule, als meine Großtante Christel mir die „Briefmarkensammlung“ ihres verstorbenen Sohnes schenkte. So erbte ich drei vergammelte Alben, die ein Durcheinander von verschiedenen Marken enthielten sowie ein paar Briefumschläge mit ähnlich wirrem Inhalt.
Richtig gefreut habe ich mich damals nicht, erstens weil ja der Trauerfall immer zwischen mir und den Marken stand und zweitens waren Briefmarken für ein Mädchen im Teeny-Alter auch nicht eine wirklich spannende Sache.
Ordnungsliebend, wie ich jedoch damals noch war, nahm ich mir bald vor, die Dinger wenigstens mal zu sortieren. Das war schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte. Wo fängt man denn nur an und wie ordnet man sie wohl ein?
Ein Michel-Katalog kam auf die Weihnachts-Wunschliste und der half mir, Märkchen für Märkchen in einer bestimmten Reihenfolge in die Alben einzusortieren.
Schnell stellte ich fest, dass es eine größere Vielfalt an Marken gab als mir bis dahin bewusst war, klebten wir doch zu Hause auf unsere Ausgangspost meist nur die in den 6oer Jahren lange Zeit populären langweiligen Freimarken mit den Bedeutenden Deutschen von Dürer über Luther bis Goethe und den Bauwerken aus 12 Jahrhunderten. Selten erhielten wir beim Kauf von Marken schon mal eine Sondermarke, die uns zu schade war, sie auf den Brief zu kleben und in die Schublade wanderte.
Bei meinen Sortierarbeiten hakte ich fein säuberlich im Katalog ab, welche von den aufgeführten Marken ich besaß, ob gestempelt oder ungestempelt. Unter den Abbildungen im Katalog war auch der Handelswert der Stücke aufgeführt und ich zählte immer wieder zusammen, welchen Wert meine Sammlung schon hatte in Unkenntnis aller Kriterien, die wirklich den Wert einer Marke ausmachen. Bewaffnet mit Pinzette und Lupe hatte ich tatsächlich eine neue Freizeitbeschäftigung gefunden, immer in der Hoffnung, auf ein wertvolles Teil zu stoßen, das mich von heute auf morgen reich macht.
Ein wenig halfen mir die Briefmarken auch, meine mageren Geschichtskenntnisse zu ergänzen. Deutsches Reich, Deutschland unter alliierter Besetzung, Französische Zone, Notopfer Berlin, das alles brachten mir die Briefmarken näher als der Geschichtslehrer es je fertig brachte.
Vom Taschengeld leistete ich mir dann und wann sogar Neuzugänge. Ständig stand ich am Postschalter unseres kleinen Ortes und nervte den Postbeamten mit Fragen, wann denn nun wieder eine Sondermarke herausgebracht werden würde. Wenn ich nach der Schule Gelegenheit hatte, das Postamt aufzusuchen, waren die gewünschten Marken oft schon ausverkauft.
Es gab da aber auch einen netten Beamten, der legte schon mal die eine oder andere Marke für mich zurück.
Später, als ich eigenes Geld verdiente, leistete ich mir ein Abonnement, das mir vierteljährlich die Neuerscheinungen – ungestempelt – in Haus lieferte. Mit der Zeit ließ das Interesse an den bunten Bildchen aber stark nach, genauso wie mir der Ordnungssinn verloren ging. Es wurde nichts mehr einsortiert, und so habe ich heute ein schlimmeres Chaos als damals, als ich die ersten Marken geschenkt bekam.
Das Abo habe ich bis heute beibehalten, jedoch landen die meisten der kleinen Kunstwerke auf von mir zu versendenden Briefen, Karten oder Päckchen. Ja, ja, ich verschicke tatsächlich Glückwünsche noch als Brief oder Karte, peinlichst darauf achtend, dass auch mottogerechte Marken den Glückwunsch zieren. Das Blumenmotiv für den Geburtstag, die Hasen für den Tierfreund, die Fußball-WM-Sondermarke für den Sportsmann, der „Arme Poet“ für den Kunstexperten und ein Schauspieler-Konterfei für den Theatergänger. Die Trauerkarte erhält natürlich ein ernstes Motiv, und für die Kommunionkinder gibt es den Papst.
Ob das die Empfänger eigentlich je bemerkt haben?
Die Auswahl ist riesig. Es gibt kaum ein Ereignis, das nicht durch eine Briefmarke belegt wird, kein Fest, welches nicht auf einer Marke verewigt ist. Der 150. Geburtstag von Max Planck, 100 Jahre deutsche Fußball-Länderspiele, 150. Geburtstag Heinrich Zille, die Segelflug-WM, sogar 1000 Jahre Dorfkirche Bochum-Stiepel – das sind einige der zuletzt dargestellten Themen.
Mit dem Entwerfen von Briefmarken beschäftigt sich ein ganzer Berufszweig, auch Künstler wie Hundertwasser oder Paul McCartney und der Kabarettist Emil Steinberger haben sich auf diesem Gebiet schon kreativ betätigt. Fröhlich hat aktuell der Pop-Art-Künstler James Rizzi seine Reihe „Grüße für jeden Anlass“ gestaltet
Zuletzt war ein Wettbewerb ausgeschrieben für das neue Motiv der bekanten Dauerserie „Blumen“. Man konnte das Foto eines Blumenmotivs einreichen, das Gewinnerfoto wird die nächste 25-Cent-Marke dieser Reihe zieren. Das wäre ein Traum gewesen – mein Blumenfoto geht auf einer Briefmarke um die Welt! Leider hat mein eingesandtes Magnolienfoto nicht gewonnen, obwohl ich es es viel schöner finde als das Siegerfoto.
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