Juwelen der Philatelie
Sehenswerte Sonderschau zum 130. Jubiläum des Vereins für Briefmarkenkunde 1878 Frankfurt am Main
(10.06.08) Auch wer sich nur mäßig für das ehemals flächendeckende Hobby Briefmarkensammeln interessiert, sollte den Weg ins Frankfurter Museum für Kommunikation, Schaumainkai 53, nicht scheuen und sich dort eine kleine, aber besonders feine Postwertzeichenausstellung ansehen, die dort noch bis zum 15. Juni gastiert.
Anlass ist der 130. Geburtstag des „Vereins für Briefmarkenkunde 1878 e.V. Frankfurt am Main“ im Bund Deutscher Philatelisten. Er ist nach dem Dresdner Philatelisten-Verein, der – allerdings mit langjähriger Unterbrechung während der DDR-Diktatur – nur ein Jahr früher, 1877, gegründet worden.
Zur offiziellen Eröffnung hatte Museumsreferentin Regine Meldt zu einer Pressekonferenz geladen, an der auch zahlreiche Medienvertreter teilnahmen. Und die staunten nicht schlecht über die dort ausgestellten Exponate, darunter 54 (!) Exemplare des legendären Sachendreiers (Königlich Sächsische Postverwaltung, Ausgabe am 1. Juli 1850) auf Brief, als senkrechte und waagrechte Pärchen, mit Stempel-Unikaten versehen und in anderen Varianten. Ihr Gesamtwert würde bei einer Auktion locker einige hunderttausend Euro betragen. Der Gag daran: Alle Marken gehören einem Sammler, dem Vorstandsmitglied des Jubelvereins Arnim Knapp.
Museumsdirektor Dr. Helmut Gold freute sich in seinen Begrüßungsworten darüber, dass der Verein nicht abgeschieden in einer Feierstunde sein Jubiläum feiere, sondern mit dieser Ausstellung auch die Öffentlichkeit daran teilhaben lasse. Er begrüßte die Vereinsvertreter „von Jubilar zu Jubilar“, indem er darauf hinwies, dass ja auch das Museum für Kommunikation in diesem Jahr ein Jubiläum, das 50., begehe.
Der in Fachkreisen berühmte 1. Vorsitzende des rund 130 Mitglieder zählenden Vereins für Briefmarkenkunde 1878, Reiner Wyszomirski, ging dann näher auf die einzelnen Exponate ein. Darunter sind britische Kriegsfälschungen, die Hitler als Totenkopf zeigen, gezeichnete, ziemlich echt aussehende Marken, eine ganze Palette voller Schwarzer Einser, der ersten deutschen Briefmarke (1. November 1849, Bayern) und auch einige Black Pennys, der ersten Briefmarke der Welt aus England. Interessant auch das Handwerkszeug der Philatelisten wie Lupen, Pinzetten usw., wie es vor rund einem halben Jahrhundert ausgesehen hat.
In einer Vitrine sind zahlreiche Goldmedaillen und andere nationale und internationale Auszeichnung zu bestaunen, die der Verein, einer der leistungsstärksten Deutschlands, bislang erworben hat. Auch alle hochkarätigen Exponate dieser Ausstellung stammen ausschließlich von Vereinsmitgliedern, von altdeutschen Sammlungen über thematische Sammlungen, Ländersammlungen und auch Zeugnisse über die junge Bundesrepublik. Letztere spiegeln das Selbstverständnis der jungen Republik wider und sind in gewisser Weise als Werbeträger für Politik, Wirtschaft und das soziale und kulturelle Selbstverständnis des deutschen Neuanfangs zu sehen.
Einblicke in die Postgeschichte geben u. a. Belege aus dem Postverkehr zwischen dem Gebiet der Deutschen Reichspost und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die ausgestellten Briefe, Marken und Stempel verraten die Transportwege, die die Briefe auf den Dampfschiffen zurücklegen, bis sie, oftmals über viele Zwischenstationen, ihre Empfänger erreichten.
Dass postgeschichtliche und philatelistische Belege in der Regel auch eindrucksvolle Dokumente der Zeitgeschichte sind, verdeutlich ein zugleich amüsantes und eindrucksvolles Beispiel: eine handschriftliche Grußkarte des FDP-Abgeordneten Willy Stahl. Er schrieb die Karte, frankiert mit Sondermarken und Sonderstempeln, zur „Ersten Sitzung des Bundestages“, direkt aus der ersten Bundestagssitzung am 7. September 1949 an einen Empfänger in Buenos Aires! Weitere Besonderheit aus diesem Bereich ist die „Rote Adenauer“, eine wegen der „zu roten“, kommunistischen Farbe nicht herausgegebene Briefmarke der Deutschen Bundespost.
Auch der, der sich für Briefmarken bestimmter Länder interessiert, kommt hier auf seine Kosten: Exponate der El Salvador-Philatelie: Marken, Essays, Probedrucke und Posttarife beleuchten die Zeit von 1867 bis 1900. Kreutzer und Stempel aus dem Kaiserreich Österreich und die ersten Centavos-Briefmarken und Ganzsachen-Ausgaben der Dominikanischen Republik (1865 – 1899) sind ebenfalls zu bestaunen.
Interessant ist, was der zweite Vorsitzende des Jubelvereins, Hansmichael Krug, ein profilierter Verbandsprüfer und über die Landesgrenzen hinaus geschätzter Fachmann, zu seinen Exponaten aus der Dominikanischen Republik erzählte. Der gelernte Chemiker, der die Ausstellung übrigens organisiert hatte, wies darauf hin, dass einige seiner auf Brief geklebten Marken die vielen Jahrzehnte in der subtropisch feuchten Luft in Äquatornähe bis heute gar nicht überstanden hätten, wenn sie nicht eben mittels Brief ins „trockene Ausland“ verschickt worden wären. Und da dies nicht oft geschah, und damals schon gar nicht, sind diese Marken, heute häufig absolute Raritäten.
Der Frankfurter Philatelistenverein besitzt aber nicht nur ungeahnte Markenschätze. Er verfügt auch über eine außerordentliche Vereinsbibliothek mit einem Bestand von über 12000 Bänden und ist damit eine wichtige Anlaufstelle für Briefmarkensammler im mitteldeutschen Raum. Bereits kurz nach der Vereinsgründung im Juni 1878 konzentrierten sich die Vereinsmitglieder nicht nur auf Briefmarken, sondern auch für Literatur zu philatelistischen Themen. Zu den ersten Erwerbungen gehören beispielsweise das Verzeichnis von Berger-Levrault von 1861 aus Straßburg und der Katalog von Zschiesche und Köder von 1863 aus Leipzig.
Witzig war, was 1. Vorsitzender Reiner Wyszomirski bei der Ausstellungseröffnung noch sagte: „Die Pisa-Studie hat ergeben, dass Schüler, die Briefmarken sammeln, bessere Schüler sind.“ Gegenwärtig sind im Bund Deutscher Philatelisten, dem Spitzenverband aller Briefmarkensammler in Vereinen und Arbeitsgemeinschaften, 60000 der geschätzten drei bis vier Millionen Briefmarkensammler und -innen organisiert. 30 von mehr als 1200 Sammlervereinigungen deutschlandweit finden sich in und um Frankfurt.
Wer übrigens beispielsweise eine Briefmarkensammlung erbt und ihren Wert nicht einzuschätzen vermag, der darf sich an den Verein wenden. Seine Experten schätzen die Sammlung – kostenlos, (wobei sie gegen ein oder zwei Fläschchen Wein als kleines Dankeschön sicherlich nichts einzuwenden hätten). Adresse: Baruch-Baschwitz-Platz 3, 60489 Frankfurt am Main, Telefon (069)7891115.
Im Übrigen verfügt auch das Museum für Kommunikation über ein eigenes Briefmarkenkabinett mit interessanten philatelistischen Highlights. Das Spektrum der Exponate erstreckt sich von den ersten deutschen Briefmarken über thematische Sammlungen der Bundespost und der Deutschen Post der „DDR“ bis zu Raritäten wie einem in Berlin entwerteten Brief, der aus dem brennenden Luftschiff „Hindenburg“ geborgen wurde und für das Ende des Zeppelinluftverkehrs steht.
Norbert Dörholt
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