Liebe Forumsmitglieder!
Wenn ein Brief bei den 1850ern entgegen der Postvorschriften unfrankiert, teilfrankiert oder mangelhaft frankiert aufgegeben wurde, war er unaufgehalten abzufertigen, unterlag aber gleichzeitig der Nachtaxierung, also Brieftaxe und Zutaxe (regelmäßig nachtaxierte Briefe).
Eine Ausnahme bildeten die
portopflichtigen Amtsbriefe: Diese wurden nur mit der gewöhnlichen Briefgebühr, nicht aber mit einer Zutaxe belegt.
Vor und auch nach der Einführung der Briefmarke (1850) gab es natürlich auch eine Vielzahl von
Portofreiheiten. Diese betraf Personen (zB kaiserliche Familie) sowie Träger verschiedenster Hof-, Länder-, Kirchen- und Ordensfunktionen, weiters eine Vielzahl von Behörden, Ämtern des Reiches und der Länder und eine ganze Reihe von öffentlichen Anstalten wie Schulen, Kranken- und Waisenhäuser. Hier unterscheidet man zwischen
absoluter und
relativer Portofreiheit. Die relative Portofreiheit galt für bestimmte Stellen nur in bestimmten dienstlichen Angelegenheiten. Zum Beispiel Magistrate und Gemeinden, die im Rahmen ihres selbständigen Wirkungskreises nur in einzelnen Bereichen Portofreiheit genossen.
Ob jemand nun tatsächlich portobefreit war hing vielmehr davon ab, ob
Portobefreite an Portobefreite,
Portobefreite an Portopflichtige oder
Portopflichtige an Portobefreite im Briefwechsel standen.
Ich möchte euch hier ein Beispiel eines privilegierten Briefverkehrs zeigen der sich mit dem Thema eines
Halbfrankobriefes befasst.
Wie ihr vielleicht wisst, gibt es ja einige Briefe der Thinnfeld-Korrespondenz (untaxierte Belege) die als Halbfrankobriefe aufgegeben wurden. Eine Besonderheit dazu bildete die Postverordnung vom 19.6.1850 unter Bezugnahme auf ein Hofkammerdekret vom 28.2.1842, also wenn der gebührenbefreite Empfänger keine Behörde war. (Briefe von Portopflichtigen an Gebührenbefreite)
Darin wird ausgeführt, dass nicht frankierte Schreiben an eine portofreie Person unter Anrechnung des halben Porto und ohne Anwendung einer Zutaxe abzusenden sei.
Nun zum praktischen Teil:
Hier seht ihr einen einfachen Brief von Peggau bei Graz an den k.k. Minister Thinnfeld in Wien (2. Entfernungsstufe) nur halb frankiert mit einer 3 kr Briefmarke. Entsprechend der 2. Enfernungsstufe wäre hier eine 6 kr Briefmarke notwendig gewesen, jedoch als k.k. Minister war dem Empfänger Portofreiheit zugestanden worden.
Bei all diesen Belegen kam es zu keiner Taxierung.
Interessant wär hier noch gewesen wie bei einfachschweren Briefen aus der 1. und 3. Enfernungszone vorgegangen wäre, da es ja keine Halbkreuzerwerte gab.
Hier noch Infos zur Person:
THINNFELD, Ferdinand Joseph Ivo Freiherr von
geb. 24. April 1793 in Graz, gest. 1868
Minister für Landeskultur und Bergwesen; Gewerksbesitzer.
Studium der Rechtswissenschaften, der Mineralogie und des Bergwesens. Studienreisen nach Deutschland, Frankreich und England.
Im Alter von 21 Jahren wurde Thinnfeld in den steirischen Landtag eingeführt und viermal zu dessen ständischem Verordneten gewählt.
1827 Ernennung zum Kurator des Joanneums durch Erzherzog Johann.
1848 Wahl in den Reichsrat.
1848-1853 Minister für Landeskultur und Bergwesen.
Ich hoffe ich konnte hier einen interessanten Beitrag leisten.
Lg Bernhard