Sammlung geerbt - was tun?
Viele Sammler versäumen es zu Lebzeiten, einen Nachfolger aufzubauen oder zumindest die Familienangehörigen, wenn sie sich schon nicht für die Philatelie interessieren lassen, wenigstens insoweit einzuweihen, daß sie nach dem Ableben nicht völlig ratlos vor der Sammlung in Alben, Kisten, Kästen und Kartons stehen.
Die beste Lösung wurde schon angesprochen: Einen Nachfolger aufbauen. Aber das ist ein Glücksfall, und darüber brauchen wir hier also nicht - oder erst am Schluß - zu reden.
Normalerweise ist es so, daß die Erben völlig ahnungs- und hilflos Opas Sammlung gegenüberstehen. Gut, alles was geordnet in Alben aufbewahrt ist, läßt sich noch ziemlich leicht überschauen, und mit dem passenden MICHEL-Katalog kommt man meist auch recht zügig voran, wenn man sich erst einmal einen Überblick über die Bedeutung der darin gebräuchlichen Zeichen und Abkürzungen verschafft hat, so daß man sich auch relativ schnell durch die Sammlung ackern kann. Und wenn man als Erbe nach dem ersten, zweiten Durchblättern doch eine gewisse Lust verspürt, sich etwas näher mit der Materie zu befassen, oder wenn man sich dann gar entschließen kann, doch zuerst einmal alles zu sichten, also auch die Kisten und Kartons und die Briefposten... dann ist vielleicht schon ein neuer Sammler gewonnen.
Aber - wie macht man das am besten?
Nun, zu allererst wird man sich für das Haupt-Sammelgebiet, von dem die meisten Marken vorhanden sind, einen MICHEL-Katalog beschaffen. Als Laie fängt man natürlich am besten mit dem bereits geordneten Teil der Sammlung an und geht sie anhand des Kataloges Blatt für Blatt durch. Im Katalog findet man Detailangaben zu jeder einzelnen Marke: Ausgabedatum und -anlaß, Druckverfahren, Zähnung, die MICHEL-Nummer, natürlich die Abbildung mit Bildbeschreibung, und schließlich die Bewertung. Wenn man feststellt, daß jahrgangsweise alles komplett nach MICHEL-Hauptnummern ist, kann man sich die Rechnerei erleichtern, indem man im Anhang des betreffenden Katalogabschnittes in der Jahrgangswert-Tabelle nachsieht, was der ganze Jahrgang jeweils kostet.
Aber im Lauf der Zeit kommt man möglicherweise auf den Geschmack und bemerkt, daß man selber den finanziellen Wert gar nicht mehr so wichtig nimmt; man bekommt vielleicht eine Ahnung davon, was den Großvater bewegt hat, sich so intensiv mit seiner Sammlung zu beschäftigen. Und so knöpft man sich nach und nach ein Land ums andere vor und beackert es mit Hilfe des jeweiligen MICHEL-Kataloges, bleibt bei der einen oder anderen Marke hängen und informiert sich über den Ausgabeanlaß und holt sich vielleicht auch ein Lexikon, um tiefer in die "Geheimnisse" des abgebildeten Gegenstandes, Gemäldes, Landschaftsfotos etc. einzudringen. Und es macht richtig Spaß, so daß man gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergeht...
Je länger und intensiver Sie sich mit der Sammlung beschäftigen, desto mehr wird Ihnen bewußt werden, wieviel Freude und Kurzweil man mit der Philatelie haben kann. Aber - genießen Sie den Spaß nicht nur im stillen Kämmerlein für sich allein! Suchen Sie sich Tauschpartner, im Verein oder per Inserat in der Fachpresse. Ziehen Sie Verwandte, Freunde und Bekannten mit ins Vertrauen, informieren Sie sich im Sammlerverein und geben Sie Ihre Informationen weiter - damit es später einmal Ihren Erben nicht auch so geht wie Ihnen anfangs, als Sie noch völlig ahnungslos waren, mit der geerbten Sammlung.
Wenn es eine etwas kompliziertere, möglicherweise spezialisierte Sammlung ist, die man vorfindet, ist es schwieriger, sich als "Anfänger" zurechtzufinden. Hier kann ein Fachmann helfen, etwa ein erfahrener Sammler, der mit Ihnen gemeinsam die Sammlung durchsieht und Ihnen zeigt, was wichtig, eventuell auch selten und wertvoll ist, und worauf Sie achten müssen. Einen solchen Fachmann finden Sie beispielsweise in einem renommierten Sammlerverein in Ihrer näheren Umgebung; Adressen kann man im Internet auf der Seite
www.bdph.de des Bundes Deutscher Philatelisten (BDPh), des Dachverbandes der deutschen Sammlervereine suchen, nach Ort und/oder Postleitzahl. Oder Sie wenden sich an das für Ihren Wohnort zuständige Gericht oder an die Industrie- und Handelskammer Ihrer Stadt und lassen sich dort die Adressen der Sachverständigen für Briefmarken geben, die von diesen Institutionen für Gutachten und in Streitfällen als Experten herangezogen werden. Auch dort können Sie fachmännischen Rat bekommen und eventuell auch eine Schätzung der Sammlung vornehmen lassen, und die von diesen Institutionen empfohlenen Sachverständigen sind wohl in jedem Fall vertrauenswürdig. Für die Aufbewahrung und auch den weiteren Ausbau und die Pflege der Sammlung erhalten Sie da bestimmt auch gute Ratschläge.
Wenn Ihnen die Art der Sammlung, die Ihr Großvater aufgebaut hat, nicht recht behagt, dann schließen Sie sie einfach ab und suchen Sie für sich persönlich ein Gebiet, das Ihnen persönlich ganz speziell zusagt. Das kann ein bestimmtes Land sein, ein begrenzter Zeitabschnitt innerhalb eines Landes, oder bauen Sie eine Motivsammlung auf über ein bestimmtes Wissens- oder Sachgebiet, das Ihnen besonders am Herzen liegt. Die Philatelie bietet eine unbegrenzte Zahl von Möglichkeiten: Astronomie, Geschichte, Religion, Zoologie, Kunst, Eisenbahnen, Schiffahrt, Trachten, Sport, Architektur, Musik, Literatur, Luft- und Raumfahrt, Medizin... Zu jedem beliebigen Interessengebiet können Sie weltweit passende Briefmarken finden und eine Sammlung ganz nach Ihren Vorstellungen und Wünschen aufbauen. Adressen von Motivgruppen und Arbeitsgemeinschaften für eine Vielzahl von Themen- und Motivgebieten können Sie ebenfalls auf der oben genannten BDPH-Webseite finden.
Eine großartige Hilfe, um festzustellen, welche amtlichen Briefmarken weltweit zu einem bestimmten Thema oder Motiv existieren, bietet übrigens der MICHEL-Online-Katalog. Auf der Seite
www.michel.de meldet man sich für einen geringen Betrag an und hat dann Zugang auf die MICHEL-Katalog-Datenbank mit der Katalogisierung sämtlicher Marken, die weltweit seit 1840 erschienen sind. Mit einer Suchfunktion, die jedes Wort findet, das im gedruckten Katalog in der Markenbeschreibung (Ausgabeanlaß) oder in der Bildunterschrift vorkommt. Somit kann man zu jedem beliebigen Thema mit den entsprechenden Suchworten auch die passenden Marken aus allen Ländern der Welt finden.
Einen vertrauenswürdigen Händler, der Ihnen die gewünschten Marken für Ihre Sammlung beschafft und der Ihnen ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite steht, brauchen Sie natürlich auch. Adressen finden Sie im Internet unter
www.aphv.de auf der Seite des Briefmarkenhändler-Verbandes APHV. Wer auf Ihr Sammelgebiet spezialisiert ist, erfahren Sie im Verein und bei den jeweiligen Arbeitsgemeinschaften und Motivgruppen durch "Mundpropaganda".
Erst jetzt, nachdem Sie sich selbst über längere Zeit intensiv mit der geerbten Sammlung auseinandergesetzt haben, können Sie ermessen, wieviel Spaß und Freude der Verstorbene bei der Beschäftigung mit seinen Marken erlebt hat und warum die Philatelie einen so hohen Stellenwert in seinem Leben genossen hat; oder mit anderen Worten: Sie fangen jetzt erst an, Ihren Opa richtig zu verstehen...
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